Eigentlich möchte man ja richtig umweltbewusst leben – aber dann kauft man doch das günstige Fleisch vom Discounter, steigt für einen Kurztrip ins Flugzeug oder nimmt statt des Rades doch lieber das Auto. Die Gesellschaft spricht sich zwar für mehr Engagement beim Klimaschutz aus, doch nur Wenige wollen den Anfang machen. Das möchte Dr. Michael Kopatz, Sozial- und Umweltwissenschaftler sowie Autor des Buches „Ökoroutine – Damit wir tun, was wir für richtig halten“, ändern. Bei einer interaktiven Lesung im Waller Kulturhaus Brodelpott hat Kopatz sein Konzept der „Ökoroutine“ vorgestellt.
Das ehrgeizige Vorhaben, bis zum Jahr 2020 die Treibhausgase um 40 Prozent zu reduzieren, ist den meisten Menschen bewusst – und dennoch fühlen sie sich ohnmächtig und wissen nicht, was sie tun können. „Wir werden das Ziel nicht alleine durch technische Innovationen erreichen, sondern nur durch Veränderungen der Routinen“, lautete eine der zentralen Thesen von Kopatz. Klimafreundliches Handeln kann aus Sicht des Klimaexperten nur erzeugt werden, wenn wir das gewünschte Verhalten zur Gewohnheit werden lassen. Kopatz Vision ist es, ökologisches Handeln auf allen Ebenen so selbstverständlich werden zu lassen, wie es heutzutage der Einsatz von Energiesparlampen oder Mülltrennung ist.
Kopatz Forderung: Standards verschärfen
Der Sozial- und Umweltwissenschaftler zeigte in seinem Vortrag die widersprüchlichen Verhaltensweisen der Menschen auf: Demnach wünschen sich Befragungen zufolge 80 Prozent der Bürger eine artgerechte Tierhaltung, doch nur ein Bruchteil kauft tatsächlich Fleisch aus dieser Haltung. Die Befragungen zeigen auch, dass sich ein Großteil der Bevölkerung mehr Engagement beim Klimaschutz wünscht. Auf der anderen Seite wird derzeit so viel geflogen wie nie zuvor. Um die Menschen zur Veränderung zu bewegen, fordert Michael Kopatz deshalb eine Verschärfung der Standards, die schrittweise erhöht werden sollen.
Dieses Konzept ist in vielen Bereichen längst Alltag, wenn man sich Elektrogeräte, Häuser oder Autos anschaut, die im Laufe der Zeit durch strengere Richtlinien immer effizienter geworden sind. „Dieses Konzept kann man auf viele Bereiche übertragen“, sagte Kopatz. So haben beispielsweise auch Legehühner in der EU heute doppelt soviel Auslauf wie noch 2003. Statt von den Bürgern ein „moralisch richtiges“ Verhalten zu fordern, setzt der Klima- und Umweltexperte auf Strukturveränderungen, durch die jeder Einzelne seinen Alltag umweltverträglicher gestalten kann – quasi ein Wandel durch sanften Zwang. „Dann ist es eigentlich unfassbar einfach“, war der Wissenschaftler in seinem Vortrag überzeugt.
Im Anschluss an seine interaktive Lesung hatten die Besucher im Waller Kulturhaus noch Gelegenheit, mit Michael Kopatz ins Gespräch zu kommen und sich ihr persönliches Buchexemplar unterschreiben zu lassen.